Weine aus Süditalien

Weinglas

In dieser Rubrik stellen wir Weine aus dem Süden Italiens vor. Wir haben uns bewusst nicht für eine der klassischen Weinregionen Italiens (Toskana, Piemont etc.) entschieden, um Ihnen ein Stück unbekannterer, aber deshalb durchaus nicht minderwertiger italienischer Weinkultur präsentieren zu können. Bevor wir aber mit der Vorstellung einzelner Weine beginnen, möchten wir Ihnen im folgenden zuerst einmal einen kleinen (hoffentlich unterhaltsamen) Einblick in die süditalienische Weinwelt geben, natürlich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit:


Kleines Glossar des süditalienischen Weins


Aglianico

Der Aglianico ist eine geheimnisvolle Rebsorte: Manche behaupten, sie habe griechische Wurzeln, da sich hinter ihrem Namen das Wort ellenico verbergedie nüchtereren Sprachwissenschaftler dagegen vermuten einen Zusammenhang mit dem lateinischen Ausdruck für 'Juli'. Woher ihr Name auch immer stammen mag, diese Rebsorte hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer der gefragtesten des gesamten Südens gemausert. In Kampanien kommt der renommierteste Aglianico übrigens aus dem Gebiet um das Städtchen Taurasi in den Bergen hinter Neapel. Aber auch im Sannio, in der Nähe von Benevent, gibt es interessante Vertreter. Die besten Weine aus Aglianico-Trauben stammen aber von den Hängen eines erloschenen Vulkans: Der Berg Vulture in der nördlichen Basilicata gibt dem edlen Aglianico del Vulture seinen Namen – manche nennen diesen nicht ganz zu Unrecht den 'Barolo des Südens'. Wir behaupten ganz ungeniert: Der Barolo des Nordens muss sich warm anziehen!

 

Autochthone Rebsorten

Wenn eine Rebsorte seit Urzeiten in einem bestimmten Gebiet heimisch ist, dann gilt sie als 'autochthon' – ähnlich wie eine Pflanze, die man irgendwo als 'endemisch' bezeichnet. In Süditalien spielen die autochthonen Rebsorten wie Aglianico, Nero di Troia, Primitivo und noch einige andere eine immer wichtigere Rolle auf dem Weinmarkt: Der Trend geht – wie anderswo auch – zum Unverfälschten und Einzigartigen. Denn die Merlots und Cabernets werden längst massenhaft in der (gar nicht mehr so) Neuen Welt als durchschnittliche, aber preisgünstige Kopien ihrer europäischen Vorbilder erzeugt. Der süditalienische Winzer besinnt sich daher gerne auf das, was die Konkurrenz aus Übersee nicht zu bieten hat. Rebsorten mit Geschichte und Charakter liegen da einleuchtenderweise hoch im Kurs.

 

Cantina Sociale (auch: Cooperativa)

Die Genossenschaftskellereien sind in Süditalien ähnlich häufig wie in einigen deutschen Regionen anzutreffen, aber sie spielen im Geschäft der 'Großen' immer noch bestenfalls eine Nebenrolle. In vielen ländlichen Gegenden werden die angelieferten Trauben einfach zusammengekippt, und heraus kommt kooperative Mittelmäßigkeit. Schade eigentlich, denn warum sollen die hart arbeitenden Weinbauern immer nur unmündige Zulieferer sein? Natürlich ist eine solche Cantina (wörtlich: 'Keller') immer in der Verlegenheit, alle Genossen unter einen Hut bringen zu müssen – dass das, wenn man es geschickt anstellt, trotzdem zu hervorragenden Weinen führen kann, zeigt zum Beispiel eindrucksvoll die Cantina Sociale des Städtchens Venosa an der Grenze der Basilikata zu Apulien mit ihren etwa 500 Mitgliedern.

 

Damigiana

Dieser eigentümliche Glaskolben ist in Süditalien das Standardgefäß für den vino sfuso, den offenen Wein, den viele Privatleute immer noch dem teureren Flaschenwein vorziehen, den man gerne den Großkopferten und den Ausländern überlässt. Früher war er pittoresk mit Stroh ummantelt, heute dominiert die Plastikausgabe – aber keine Angst: Der innere Kolben selbst ist wie jeher aus Glas. Der Name geht vermutlich (wie auch das französische damejeanne) auf die persische Stadt Dâmaghân und deren im Mittelalter weithin berühmten glasverarbeitende Betriebe zurück.

 

Grotte

Im heißen Süden geht man tief unter die Erde, um den Rebensaft standesgemäß zu lagern: Traditionell verbringen die Fässer den größten Teil ihres Lebens im Dunkel der in den Tuffstein gehauenen Gänge und Höhlen. Das Barrique-Fass hat hier übrigens wenig Tradition: Bei Torre Quarto in Cerignola beispielsweise kann man an seiner statt die riesigen Holzfässer aus alter Zeit bewundern. Aber Nostalgie hin oder her: Auch im schnöden Stahltank können große Weine reifen, wenn der Kellermeister sein Handwerk versteht.

 

Nero di Troia (auch: Uva di Troia)

Troja ist nicht nur im benachbarten Griechenland legendär – auch das gleichnamige Örtchen nahe Foggia in Nordapulien, das sicher nicht unbedingt Homers Aufmerksamkeit erregt hätte, hat in der süditalienischen Weinwelt seinen besonderen Klang: Der sogenannte 'Schwarze aus Troia', mit dem natürlich die Farbe der Weine aus dieser autochthonen Rebsorte gemeint ist, zeitigt einige unverwechselbare Tröpfchen, insbesondere in der DOC-Zone Castel del Monte. Falls Sie also einmal geschichtsbeflissen in der gleichnamigen Burg des Stauferkönigs vorbeischauen sollten, denken Sie dabei auch an den 'Schwarzen aus Troia'. Das ist in diesem Fall kein Akt der Völkerverständigung, aber Sie werden es trotzdem nicht bereuen.

 

Primitivo

Beim Bekanntheitsgrad, den diese autochthone Rebsorte aus dem Salento (siehe unten) mittlerweile erreicht hat, verbietet sich eigentlich jedes banale Wortspiel. Wer sollte auch auf andere Ideen verfallen, als darauf, dass der Name die Ursprünglichkeit dieser Rebsorte unterstreicht? Im Gegensatz zu seinem erbgutidentischen Bruder, dem Zinfandel, finden sich die vielen südlichen Sonnenstunden im meist recht robusten Alkoholgehalt der aus ihm gekelterten Weine wieder. Der Primitivo ist eben alles, nur kein Weichling. Und wenn er aus dem Städtchen Manduria kommt, dann schmeckt er in der Regel so rund und süffig, dass man ihm seine Prozente erst gar nicht anmerkt.    

 

Salento

Apulien ist geographisch und auch sprachlich zweigeteilt. Grob kann man sagen, dass es sich hier um den südlichen Teil der Region handelt, nämlich um die Halbinsel, deren Umrisse wir im Atlas als 'Sporn' des italienischen Stiefels wahrnehmen. Der Salento kann auf eine etwas längere Geschichte des Anbaus hochwertiger Weine als Nordapulien zurückblicken, auch wenn das nicht heißen muss, dass er insgesamt die besseren Tropfen hervorbringt. Neben dem bereits erwähnten Primitivo verfügt der Salento mit dem Negroamaro (wörtlich: der 'Schwarzbittere') über eine weitere überregional geschätzte autochthone Rebsorte im Rotweinbereich.



Südwein

 Ein vermutlich vom Aussterben bedrohtes deutsches Wort, das die angebliche Schwere von Weinen aus Gegenden unterhalb eines gewissen Breitengrades brandmarkt. Keine Frage: Auf Halbtransparenz muss bei süditalienischen Rotweinen sozusagen bauartbedingt verzichtet werden. Und das leicht pelzige Gefühl im Mund, an das sich Manche beim Genuss tanninreicher Weine erst gewöhnen müssen, senkt sogar die Gefahr der Magenunverträglichkeit. Aber keine Sorge: Auch im an mitteleuropäische Gewohnheiten angepassteren Bereich zwischen 12 und 13 Prozent Alkohol hat der Süden einige wohlschmeckende Weine zu bieten. 

 

Triusco

Da ist er schon wieder, der gefürchtete Südwein: In Gestalt eines markigen apulischen Dialektwortes für einen ebenso markigen Wein. Tiefdunkel und corposo (körperreich) kommt der Triusco daher – der 'Urtyp' der apulischen Weine sozusagen. Diese stattliche Erscheinung ist genau das Gegenteil von einem 'leichten Sommerwein'. Aber dieses Attribut klingt sowieso ein bisschen zu sehr nach Wellnesswerbung, finden Sie nicht?

 

Vino naturale

Der große Mythos aus dem Munde des typischen privaten Weinbauern in Süditalien lautet: Nur unbehandelter Wein ist guter Wein. „Senza additivi“, ohne jegliche Zusatzstoffe soll er sein. Was das bedeuten kann, können Sie anhand von unzähligen stolz dargebotenen Flaschen privat und 'vollkommen natürlich' zubereiteten Weins, der bereits deutlich im Übergang zum Essig befindlich ist, plastisch nachvollziehen. Was nicht heißt, dass Wein zum chemisch frisierten Kunstprodukt verkommen soll. Eher andersherum: Dafür, dass die im Wein natürlich angelegten Qualitäten voll zur Geltung kommen können, braucht es eben ein Mindestmaß an diskret arbeitender Technologie im produzierenden Betrieb und dazu den Sachverstand eines erfahrenen Önologen. Wer Ihnen diesbezüglich nostalgische Askese predigt, hat meistens selbst nicht wenige Essigleichen im Keller.



Zona del Vulture

Er hat etwas Mystisches, dieser Berg. Und das im Territorium um ihn herum verteilte Vulkangestein sorgt zusammen mit den überraschend rauen klimatischen Bedingungen für ein einzigartiges Terroir. Kein Wunder, dass aus der Gegend um Rionero, Barile, Venosa und Lavello (der sogenannten Zona del Vulture) einige der eindrucksvollsten Weine des Südens stammen. Der Aglianico del Vulture ist folgerichtig schon fast kein Geheimtipp mehr – aber zum Glück immer noch weit vom Massenwein entfernt. 

(TS 2011)

Verantwortlich: Katharina Göttmann
Letzte Änderung: 18.07.2022
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